Keiner oder alle – alles oder nichts, skandierten Aktivisten in Oakland, ganz zu Beginn meiner Reise. Die große, quasi-sozialistische revolutionäre Bewegung, die der Brecht’sche Kampfspruch der Gefangenenbewegung in sich trägt, habe ich nicht aufspüren können. Die Bürgerrechtsbewegung der Ära Obama hat keinen neuen Martin Luther King hervorgebracht – und auch der erste schwarze Präsident hat sich zur Enttäuschung vieler nicht zu ihrem Anführer gemacht.
Für die Rechte von schwarzen Amerikanern zu kämpfen, bedeutet für jeden der sieben Menschen, die ich getroffen habe, etwas anderes. Jeder fühlt sich als Teil der Community – und doch jeder auch als Teil eines anderen „alle“.
Oft kennen sich die vielen Aktivisten untereinander nicht persönlich – viele sind Einzelkämpfer – so wie Renaldo Vines und Quentin Holt, die an einem Tag Ende September vor dem Kapitol gegen Polizeigewalt protestieren – in Charloote, North Carolina, ist erneut ein Schwarzer von einem Polizisten erschossen worden. Nein, sagen sie, sie seien nicht Teil einer Gruppe. Aber sie wollen trotzdem ihre Wut zeigen.
Die neue Bewegung ist zersplittert, in Teilen radikaler, wenn man so will, digitaler: Sie setzt auf informelle Netzwerke, auf die Summe der kleinen Teile, auf den Schwarm. Weil Washington blockiert war, setzen sie auf die lokale Aktion.
In den Staaten und Städten feiern sie Erfolge, die in der Summe so etwas wie Fortschrittserleben ermöglichen, immer wieder durchbrochen durch Rückschläge. Das ist Obamas Amerika: Die Verzweiflung verblassender Euphorie, aus der neue Energie wächst.